veröffentlicht in Jungle World, Februar 2014
Die Erzählerin in Petra Hůlovās Roman »Dreizimmerwohnung aus Plastik« ist eine Prostituierte Anfang dreißig in Prag, die kein Blatt vor den Mund nimmt und ebenso geistreich wie komisch über ihren Job und die Freier berichtet. Es gibt Freier der Kateg0rie »Verschämt«, die den Besuch in ihrer Dreizimmerwohnung zum Geburtstag geschenkt bekommen, und solche, die vor ihrer Ehefrau zur Sex-Therapeutin auf die Couch flüchten. Die Autorin legt es nicht auf Kalauer oder Tabubrüche an. Sie lässt ihre Protagonistin einfach aus ihrem Alltag berichten. Dabei verfällt Petra Hůlovā, Jahrgang 1979 und in Tschechien eine der profiliertesten Autorinnen der jüngeren Generation, nicht in Sozialkitsch, der Leser erfährt nichts über eine tragische Kindheit der Prostituierten. Der Roman beschreibt nicht den Leidensweg eines Opfers, sondern die Geschichte einer selbstbewussten, abgebrühten und materialistischen Frau. Viel erfährt man über Mittelosteuropa nach der Wende, über schnell verdientes Geld, das ebenso schnell wieder ausgegeben wird. Dass der Roman auch literarisch überzeugt, liegt an der ebenso schnoddrigen wie spöttischen Sprache der Prostituierten. Den verwöhnten Sprössling einer wohlhabenden Familie bezeichnet sie als »Sohnator«, gern »analyseziert« sie ihre Kunden, unter denen sich viele »Geschäftsniemande« tummeln. Dabei geht es auch ihr vor allem um die ordentlich gedeckte Kreditkarte. Ein böser Roman, der zudem witzig ist.
Petra Hūlovā: Dreizimmerwohnung aus Plastik. Aus dem Tschechischen von Doris Kouba. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2013, 189 Seiten, 17,99 Euro
© Tanja Dückers, Februar 2014