veröffentlicht in Jungle World, November 2013
Geschirrspüler, Waschmaschine, Auto – obwohl das Leben so viel einfacher geworden ist, erklimmen zahllose Ratgeber zum Thema Glück die Bestsellerlisten. Auch »Die Macht der Disziplin« gehört dazu, verfasst von dem US-amerikanischen Psychologen Roy Baumeister und John Tierney, einem Wissenschaftsjournalisten der New York Times. Die Hauptthese ist für Menschen mit einem Sinn fürs Gemütliche und Spontane nicht erfreulich: Zahlreiche Studien, die Baumeister durchgeführt hat, weisen auf den Zusammenhang zwischen eherner Disziplin und Erfolg hin. Ganz überraschend ist das nicht, und die hierzu präsentierte Datenfülle ist erdrückend. Interessant sind die Ausführungen zur Geschichte der Psychologie. Freuds Unbewusstes, das Triebleben, war lange Zeit in der Psychologie ein wichtiges Thema. Dass die Autoren nun der Willenskraft eine solche Bedeutung beimessen und das Buch sich gut verkauft, ist kein Zufall. Es gibt immer weniger Festangestellte, ob in den Vereinigten Staaten oder in Europa, die Zahl der Selbständigen nimmt zu, immer mehr Menschen sind tatsächlich ökonomisch für sich selbst verantwortlich und müssen sich selbst motivieren. Das Erfolgreichsein ist zu einem Ersatz für den Lebenssinn geworden. Baumeister und Tierney ermutigen nicht zu systemkritischen Ansätzen oder zu kollektivem Aufbegehren, sondern dazu, sich selbst stärker zu regulieren. Ob der Erfolg des Buches Grund zur Freude bietet, sei dahingestellt.
Roy Baumeister/John Tierney: Die Macht der Disziplin – Wie wir unseren Willen trainieren können. Campus-Verlag, Frankfurt 2012, 326 Seiten, 24,99 Euro
© Tanja Dückers, Oktobr 2013