veröffentlicht in Jungle World, Juli 2004
In der Krise wirken Liebe und Zweisamkeit Wunder. Pärchen arbeiten weniger, haben mehr Sex und leben länger.
Er ist cool. Er ist ungebunden. Er hat Ahnung. So jedenfalls stellt der Single sich dar, wenn es darum geht, sein Alleinsein zu begründen. So läuft das gute Leben, alle anderen werden spießig: Pärchen müssen draußen bleiben, sangen die Lassie Singers vor Jahren.
Tatsächlich sind vor allem Männer vom Alleinsein überzeugt. Das sagt zumindest die Statistik. Demnach leben derzeit mehr als doppelt so viele Männer als Frauen im besten Alter zwischen 25 und 50 Jahren alleine. Woran das liegen mag? Sind sie besser gewappnet für die Hartz-Zeiten, weil sie auf niemanden Rücksicht nehmen müssen? Kommen sie besser über die Runden, weil sie viel flexibler sind? Sind sie einfach schlauer, weil sie sich weiterbilden, anstatt auf irgendwelchen dumpfen Pärchenabenden zu versauern?
Alles vorgeschoben. Die Wahrheit ist erst mal viel banaler: Wer das Alleinsein prima findet, will einfach so bleiben, wie er ist. Die wahren Gründe für das Singledasein sind daher nicht besonders cool, sondern riechen ziemlich schlecht, zum Beispiel nach Hemden, die drei Wochen lang nicht gewechselt wurden.
Vielleicht sind Singles flexibler in der Krise. Sie können wegen einem neuen Job jederzeit die Stadt wechseln. Niemand beschwert sich, wenn sie wegen der vielen Überstunden nicht mehr nach Hause kommen. Sie sind optimal für alle Tätigkeiten, die den ganzen Kerl oder die ganze Frau verlangen. Wie zum Beispiel beim Militär. Oder im Priesterseminar. Im Management sind sie ebenso gefragt wie als fester Freier bei einem Sender. Sie sind zu 100 Prozent verfügbar, lassen sich einfacher manipulieren und stellen keine übertriebenen Ansprüche an ihre Freizeit. Aber wer will schon so leben?
Bestimmt nicht die Pärchen. Sie wollen mehr vom Leben, gerade weil die Zeiten härter werden. Denn wer alleine lebt, muss mehr rackern. Wer zusammen wohnt, kann hingegen zusammenlegen: die Miete, den Kühlschrank, die Waschmaschine. Vieles kostet eben nur die Hälfe. Sie bestellen daher nicht die Zeitung ab und fahren weiter fröhlich in den Urlaub – Bahnfahren ist schließlich zu zweit viel billiger, Autofahren sowieso. Wird der Job gekündigt, die Miete erhöht, die Stütze gestrichen – wer alleine ist, hat es schwerer.
Denn Pärchen geht es besser, auch wenn die Umstände immer hässlicher werden. Sie lassen sich nicht so schnell unterkriegen, leiden weniger an Depressionen und haben öfters gute Laune. Woran das liegt? Ganz einfach. Während nebenan vergnügte spießige Paare sich den Freuden der Liebe zu jeder Tages- und Nachtzeit hingeben, hocken Singles trübsinnig alleine zu Hause. Tatsächlich: Die höchste Sex-Frequenz-Rate haben nicht die »wilden Singles«, sondern Paare. Trotz, wegen und gerade in der Krise. Singles arbeiten nicht nur mehr und haben weniger Sex. Zuletzt fehlt ihnen sogar das Leben. Im Vergleich zu Paaren verschenken sie einfach ein paar Jahre. Selbst wer raucht, lebt im Durchschnitt immer noch länger als die meisten Singles. Von Singles, die auch noch rauchen, ganz zu schweigen.
Immerhin, so könnte man glauben, können Singles wenigstens die kleinen Dinge besser genießen. Sie feiern die Feste, bis der Hartz kommt. Und niemand nörgelt, wenn sie morgens um fünf den Kühlschrank leer räumen. Doch auch im Alltag kommen sie in der Regel einfach schlechter weg.
Überhaupt: Niemand erkundigt sich nach ihrem Wohlergehen. Wenn sie mal mit Grippe im Bett liegen, bringt ihnen niemand einen Ingwer-Zitronen-Tee ans Bett und legt eine neue CD ein. Niemand hört nachts mit ihnen vorm Fenster dem Gewitter zu oder geht mit ihnen auf den Balkon, um gemeinsam klatschnass zu werden, niemand hat Lust, spontan an den Tegeler See zu fahren, um eine Schlauchboot-Tour bei Vollmond zu machen und am nächsten Morgen in einem kuriosen Oma-Café zu frühstücken. Niemand kommt mit auf das Konzert, von dem man erst eine halbe Stunde vor Beginn erfährt. Alles ist viel komplizierter: Immer muss man erst jemanden anrufen, wenn man nicht alleine sein will; ohne Terminkalender, Absagen und Verschieben läuft gar nichts mehr.
Und wenn’s einem schlecht geht, ruft eh niemand an. Wenn das Telefon klingelt, dann, weil jemand was von einem will. Weil man einem Freund beim Umzug helfen soll. Der mit seiner Freundin zusammenzieht, versteht sich.
© Tanja Dückers, Anton Landgraf, Juli 2004