veröffentlicht auf ZEIT Online, 8. September 2014
Das klingt doch mal gut: Jüngere Väter nehmen sich viel Zeit für ihre Kinder. Mehr als ein Viertel (26 Prozent) der 20- bis 39-jährigen Väter verbringt – nach Selbsteinschätzung – zwei bis drei Stunden an einem durchschnittlichen Wochentag mit den eigenen Kindern. Von den älteren Vätern sind es nur 10 Prozent. Da in der Forsa-Studie auch nach dem Alter der Kinder unterschieden wird, fällt das Gegenargument weg, dass die älteren Väter ältere Kinder hätten, die weniger betreuungsintensiv seien.
Sympathischerweise empfindet fast die Hälfte der jüngeren Väter die gemeinsam mit ihrem Kind oder ihren Kindern verbrachte Zeit als „nicht ausreichend“. Nur 12 Prozent finden, dass sie genug Zeit für ihren Nachwuchs haben. Noch eine Generation zuvor war es für die Nachkriegsväter selbstverständlich, dass Wiederaufbau und berufliches Fortkommen oberste Priorität besaßen. Auch bei vielen 68ern standen Selbstverwirklichung und Karriere höher im Kurs als Vater- und Hausmannspflichten. Kinder waren, unabhängig von der politischen Gesinnung, meistens einfach Frauensache.
So optimistisch klingen nun die Zahlen der neuen repräsentativen Forsa-Befragung zum Thema Väter in Deutschland. Sie will zeigen, wie die Väter ihre eigene Vaterrolle sehen, wie sich ihre Lebenssituation seit der Geburt des Kindes geändert hat und wie sich Beruf und Familie miteinander vereinbaren lassen.
Mit Babytrage shoppen
Aber die Euphorie für die in den Medien spätestens seit Sigmar Gabriel allseits hochgelobten neuen Väter erschöpft sich beim Weiterlesen. Zwar wird Kindererziehung stärker als früher als Eltern- und nicht nur als Mütterprojekt wahrgenommen und viele Väter haben Spaß an ihren Kindern. Sie gehen heute in Geburtsvorbereitungskurse, in den Kreißsaal und anschließend mit Babytrage shoppen. Aber die Begeisterung oder das Verantwortungsgefühl reicht nicht so weit, dass sich substanziell etwas an der Lastenverteilung zwischen Müttern und Vätern geändert hätte, an der Umverteilung von Arbeit und Kinderbetreuung.
Nur ein Viertel der engagierten neuen Väter hat sich bis zu zwei Monaten Elternzeit genommen. Vier bis sechs Monate Elternzeit nahm genau 1 Prozent der Väter – soviel Elternzeit nimmt beinahe jede Mutter. Und das, obwohl fast die Hälfte aller Väter glaubt, dass sich die Elternzeit nicht negativ auf die Karrierechancen der Männer auswirkt. Unlängst hat das Statistische Bundesamt neue Zahlen vom Mikrozensus für Teilzeitarbeit veröffentlicht. Während 69 Prozent aller erwerbstätigen Mütter Teilzeit arbeiten, sind es genau 5 Prozent aller Väter.
Der Paradigmenwechsel ist in vollem Gange
Die Schuldfrage ist jedoch nicht so einfach zu klären. Es gibt zweifellos viele Väter, die gern mehr für ihre Kinder da wären. Arbeiten bis zum Umfallen, berufliches Jetsetten immer knapp am Herzinfarkt vorbei – das ist immer seltener ein Lebensmodell, das Männern heute vorschwebt. In vielen Berufsfeldern ist jedoch die Firma trotzdem Familienersatz für Väter, permanente Verfügbarkeit wird vorausgesetzt. Doppelspitzen in der Führungsetage sind nach wie selten, obwohl Unternehmensstrategen dies im Sinne flacherer Hierarchien und eines weniger zentralistischem Firmengefüge schon seit Langem propagieren.
Der Paradigmenwechsel ist in vollem Gange, abgeschlossen ist er nicht. Und natürlich sind viele Väter auch nicht mutig, nicht risikobereit genug: Für Frauen bringt die Geburt eines Kindes nicht nur enorme körperliche Veränderungen – und durchaus auch Gefahren – mit sich, sie stehen anschließend beruflich oft schlechter da und verdienen weniger. Für viele Männer ändert sich deutlich weniger, abgesehen davon, dass auch sie weniger schlafen und weniger Sex haben – auch das belegt die Studie. Dafür füllen sie ihre neue Rolle mediengerecht und öffentlichkeitswirksam aus und gestalten sie vornehmlich als Zugewinn – als Auszeit mit der Familie, Selbstverwirklichung oder schöner Urlaub in der Elternzeit.
Kinder werden von vielen jüngeren Vätern heute erfreulicherweise als Bereicherung für das Leben angesehen, aber sie sollen eben nur bereichern und nichts wegnehmen: keine Karrierechancen, keinen beruflichen Erfolg, keine Zeit für sich selbst. Kinder werden von Vätern immer noch additiv betrachtet. An dem alten Spruch: „Wenn ein Mann ein Kind bekommt, bekommt er Nachwuchs, wenn eine Frau ein Kind bekommt, verändert sich ihr Leben“ ist leider noch viel dran.
© Tanja Dückers