veröffentlicht in Jungle World, Februar 2006
Seit Jahren redet man in Deutschland eigentlich nur noch über Romanciers, wenn man von US-amerikanischen Schriftstellern spricht. Von den Poeten hört man wenig. Ron Winkler, Jahrgang ’73, Lyriker und Lyrikkenner aus Berlin, hat sich gefragt, warum: »Sind wir zu wenig mutig für eine Kunst, die sich noch keine Trendmarks erarbeiten konnte? Haben wir generell Berührungsängste mit Lyrik, der in einer sehr finanziellen Hinsicht ›Antiware‹ schlechthin? (…) Sind wir zu arm für Gedichte? Zu reich?« Und insistiert: »Was ist also mit den aktuellen Gipfelstürmern, Sterngründern, Transzendenzjongleuren der so viele Standards setzenden Supermacht?« Immerhin, möchte man ergänzen, hat Amerika im 20. Jahrhundert die Beat Poets und Lyriker wie Robert Creeley, John Ashbery und Sylvia Plath hervorgebracht. »Schwerkraft« ist der passende Titel der neuen Sammlung von Gedichten junger Amerikaner, die Winkler jetzt herausgegeben hat. Die Anthologie ist zweisprachig, die Übersetzungen sind hervorragend – vielleicht, weil sie von Lyrikern angefertigt wurden. Die jungen Amerikaner hauen einen wirklich vom Hocker, ihre Gedichte sind, wie Winkler treffend vermerkt, »jazzy, punky, zerebral, brachial« – das Spektrum ist breit, gemeinsam ist den Gedichten ihre Unverbrauchtheit, Courage und Coolness. Bei Eleni Sikelianos (Colorado) wird Verliebtheit zur »rush hour« im Herzen. Und in dem Gedicht des New Yorkers Jeffrey McDaniel heißt es: »Weil Sex mit Dir wie Großbritannien ist: kühl, schlaff und ein bisschen verklemmt.«
Ron Winkler (Hg.): Schwerkraft. Jung und Jung, Salzburg/Wien 2007, 231 Seiten, 22 Euro
© Tanja Dückers, Februar 2006