veröffentlicht in Jungle World, November 2007
Stars und Prominente, die wie Ursula von der Leyen Kinder und Karriere verbinden, geben das aktuelle Rolemodel ab. Erfolgreich im Beruf und im Familienleben zu sein, ist zu einem Anspruch geworden, der Frauen zunehmend unter Druck setzt. Die Berliner Fotoausstellung »Geht nich, gibt’s nich« zeigt berufstätige Mütter, die im Job, auf der Party und in der Küche die berühmte gute Figur machen.
Beate Nelken hat es mit ihrer Ausstellung gut gemeint: »Geht nich, gibt’s nich – 48 Stunden sind ein Tag« ist der Titel ihrer Foto-Text-Ausstellung (mit Filmprogramm) im Berliner Museum für Kommunikation. Verwiesen werden soll auf das trotzige Motto, mit dem »viele erfolgreiche Frauen Familie und Beruf vereinbaren« (aus dem Pressetext zur Ausstellung). Zehn dieser »erfolgreichen Frauen« hat die Fotografin Beate Nelken jeweils einen Tag lang begleitet. Ihre Bilder fangen Szenen des alltäglichen Lebens zwischen Regiestuhl, Wahlkampfpodium und Küchentisch ein und dokumentieren weibliche Strategien, Kind und Karriere zu vereinbaren. Die Idee kam aus ihrem unmittelbaren Umfeld: »Eigentlich bin ich losgegangen für eine Hommage an meine Freundin Anne. Seit Jahren fasziniert mich ihre wahnsinnige Kraft und Lebensenergie, diese unglaubliche Produktivität und Unverwüstlichkeit. Als sie ihr zweites Kind bekam, warf sie ihr sicheres Leben über den Haufen. Ohne Geld, ohne Kontakte, vom Schreibtisch zu Hause, fing sie an, Filme zu produzieren. Inzwischen laufen ihre Kino-Produktionen auf der Berlinale.«
Unter den Fotos findet sich jeweils ein langes Statement jeder Frau. Passenderweise sagt Isa Kittler (Lehrerin, DJane, Mutter – schafft es obendrein auch noch, jeden Tag eine schwerbehinderte Freundin zu besuchen): »Es ist oft schwer, das alles in einen Tag zu quetschen, aber ich habe so viel Power!« Die Berichte der Frauen aus ihrem Leben stecken voller Floskeln wie »Energie tanken«, es wird vom Joggen im Morgengrauen berichtet und davon, abends erschöpft, aber glücklich ins Bett zu sinken.
Sonja Hilberger, Schauspielerin, Regisseurin, zwei Kinder, stand noch vier Wochen vor der Entbindung auf der Bühne: »Die Leute toben, wenn ich schließlich in Jahrhundertwendeklamotten mit meinem unglaublich dicken Bauch einen Strip hinlege und vom Tisch springe.«
Man sieht, die großartigen »Powerfrauen« werden nicht mehr nur in der Cosmopolitan herumgezeigt. Die »Erfolgsfrauen« aus dem linksalternativen Milieu sagen im Grunde nichts anderes als Stars wie Heidi Klum. Da ist die Rede davon, »stolz und glücklich« zu sein (Friederike Krahl, Artistin, zwei Kinder). Auch die Frage nach Mutterschaft wird nicht kontrovers diskutiert, sondern wird auf eine Art beantwortet, wie sie jeder CDU-Politikerin das Herz höher schlagen lässt: »Jetzt fühle ich mich auf eine Weise komplett. Das hat mich überrascht, denn ich fand Familie eigentlich kein überzeugendes Konzept. Aber dann kam meine Tochter Alva zur Welt. Und die im wahrsten Sinne des Wortes herz-zerreißende Liebe zu ihr hat mich einfach überfallen.« Und: »Kinder haben ist das Abenteuer das Erwachsen-Seins« (Aelrun Goette, Regisseurin, zwei Kinder).
»Ich liebe mein Leben und besonders meine Kinder und meine riesengroße wunderbare Familie« (Sabine von Oettingen, Modedesignerin/Ausstatterin, fünf Kinder).
»Seitdem er (der Sohn, T.D.) in mein Leben getreten ist, habe ich so viel gelacht wie nie zuvor. Plötzlich bekam mein Handeln und Tun ein Ziel: Ihm eine bessere Zukunft zu bieten« (Ekin Deligöz, Kinder- und sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ein Kind).
Und wenn man mal kaum noch weiter kann, denkt man an die Frauen auf der Welt, die »sieben kranke Kinder« haben und auf »stoppeligen Feldern« stehen müssen, sagt die Autorin Jenny Zylka (zwei Kinder).
Von Wut, Frust und Enttäuschungen ist wenig die Rede. »Lachen! Das ist überhaupt mein Zauberwort, Schlüsselwort, meine Parole«, sagt Isa Kittler. Das mag ja sympathisch sein, aber solchen Sätzen derart viel Raum zu geben und sie als Lebensmaximen zu präsentieren, wirkt naiv und pädagogisch. Und warum wurden nicht auch ein paar erfolgreiche Männer vorgestellt, die Familie und Beruf vereinbaren? In den Statements der Frauen ist von Männern wenig die Rede. Einmal wird nachsichtig das »einstündige Wachwerden meines Mannes« erwähnt, ein anderes Mal ein Partner, der einen »sooo festhält«, wenn man mal wieder kurz vorm Umfallen ist. Auf einem Foto sitzt eine Mutter mit ihrer Tochter am Küchentisch, der Mann liest Zeitung. Ansonsten keine Männer in Sicht.
Männliche Besucher der Ausstellung bekommen den Eindruck vermittelt: Warum sollen wir uns eigentlich mehr in Sachen Kinder engagieren, die Frauen krempeln ja die Ärmel hoch, »tanken« überall »Energie«, wo andere schlapp machen würden, und verbieten sich auch noch das Jammern.
Beate Nelken sagt, dass sie eigentlich eine Ausstellung über die aktuelle Debatte um weibliche Lebensentwürfe und Rollenerwartungen machen wollte. Das, denkt man, klingt in der Tat interessant, aber dafür ist die Ausstellung viel zu einseitig geworden. Warum richtet die Fotografin ihr Augenmerk nur auf Frauen, die Beruf und Familie glücklich meistern? Wo bleiben die weiblichen Lebensentwürfe jenseits von Mutterschaft? Warum werden nur Heteras vorgestellt, warum kein lesbisches Paar (bei einer Frau wird am Rande von »ihrer Freundin« gesprochen – ein Foto der beiden ist nicht dabei)? Warum werden keine Frauen porträtiert, die ein Kind wollten und keines bekommen konnten, die keinen Job mehr fanden, die Hartz-IV-Empfängerinnen sind – warum überhaupt eine Ausstellung nur über Mütter? Wir lesen und hören täglich, dass die Deutschen unbedingt mehr Nachwuchs in die Welt setzen müssen und akut vom Aussterben bedroht sind – die Opfer sind längst nicht mehr die Mütter, sondern diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer kein Kind haben können oder wollen. Die tüchtigen Mütter, die sich zwischen Job und Kind zerreißen und am Wochenende auch noch fit für die Partys sind, sind längst ein Rolemodel geworden.
Die konzeptionelle Schwäche der Ausstellung ist umso bedauerlicher, als die Fotos von Beate Nelken für sich genommen durchaus überzeugen können. Die Fotografin hat einen guten Blick für Alltagssituationen und kann überzeugend das Absurde im Alltäglichen hervorkehren. Dass sie aus dem Bereich Reportage und Porträt (für internationale Gesellschaftsmagazine) kommt, sieht man den Aufnahmen an, dennoch besitzen sie Unmittelbarkeit und einen Mise-en-scène-Charakter. Die DJane am Set oder die Malerin Tanja Selzer mit Riesengemälde unterm Arm vor einer graffitiübersäten Hauswand funktionieren wunderbar ohne die albernen und aufgesetzt lebensbejahend wirkenden Zitate. Nur leider sind die Fotos sehr kleinformatig und zu eng nebeneinander gestellt. Die Fotografin sagt, ihr habe das nötige Geld gefehlt, um größere Abzüge zu machen. Auch wenn es mehr Geld gegeben hätte, in jedem Fall hätte in dieser Ausstellung eins gefehlt: Männer mit Kind auf dem Arm oder in der Küche.
»Geht nich, gibt’s nich – außergewöhnliche Frauen zwischen Beruf und Familie«. Fotofeature von Beate Nelken. Museum für Kommunikation, Berlin. Bis 6. Januar 2008
© Tanja Dückers, November 2007