veröffentlicht in Jungle World, Oktober 2007
Seit 30 Jahren gilt sie als Anwärterin auf den Literaturnobelpreis. Im Alter von 87 erhält Doris Lessing jetzt die Auszeichnung der Schwedischen Akademie. Von Tanja Dückers
Über diese Entscheidung kann man sich mal so richtig freuen: Doris Lessing hat den Nobelpreis bekommen – für Bücher, in denen es um die Frage nach politischem Engagement in den Wohlstandsgesellschaften (»Die Terroristin«), um Kolonialismus und Rassenkonflikte in Afrika (»Kinder der Gewalt«) und um das Verhältnis der Geschlechter (»Das Goldene Notizbuch«) geht. In Lessings Werk fließt ihre eigene, drei Kontinente umspannende Biografie mit ein: In Persien und in Rhodesien (heute Simbabwe) ist sie aufgewachsen, in England ließ sie sich nieder. Sie war bis zur Niederschlagung des ungarischen Aufstands überzeugte Kommunistin. Lessing ist eine über die Rolle der Frau in den angeblich schon so aufgeklärten Gesellschaften schreibende Autorin und Chronistin der linken Bewegungen. Doch ist jedes neue Buch wieder eine Überraschung. Die experimentierfreudige Autorin hat auch Science Fiction geschrieben und sich mit dem Sufismus beschäftigt.
Doris Lessing ist die elfte Frau, die den Literaturnobelpreis erhält. Seit der ersten Vergabe 1901 wurden 93 männliche Autoren mit der Auszeichnung geehrt.
Lessing hatte kaum Kenntnis von der Preisvergabe erhalten, da meckerten schon ausgerechnet eher links angesiedelte Zeitungen wie die taz und die SZ, dass diese Entscheidung keine »literarische«, sondern eine »politische« sei. Dass Lessing von Alice Schwarzer geschätzt wird und sich zumeist gesellschaftspolitischer Themen annimmt, scheint für manche Kritiker ein Indiz dafür zu sein, dass ihr »Engagement« wichtiger sei als Kunst, als Literatur. Als würden politisch denkende Autoren nicht auch hervorragende Romane schreiben können. Vielleicht wird Lessing auch noch ihr Buch »The Sweetest Dream« (2002) übel genommen, in dem sie sich retrospektiv mit den Hoffnungen der 68er befasst. Das passt hierzulande nicht in den neokonservativen Zeitgeist.
Manche unken, der stets über alte Männer mit Prostataproblemen und einer Schwäche für junge Dinger schreibende Philip Roth hätte den Preis eher verdient. Nein, hat er nicht.
© Tanja Dückers, Oktober 2007