veröffentlicht in Berliner Morgenpost, August 2015
Wer an die Hohenzollern denkt, dem fallen gleich die klangvollen Namen einiger Preußenkönige ein. Über 500 Jahre – von 1415 bis 1918 – prägten die Hohenzollern die Geschicke der Region, Deutschlands und auch Europas. Dabei spielten die Frauen des Hauses Hohenzollern jedoch auch eine wesentliche, bisher kaum beachtete Rolle. Die Ausstellung „Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde“ im Schloss Charlottenburg rückt nun die Hohenzollerinnen erstmalig in den Mittelpunkt. In thematischen Kapiteln zur Heirats- oder Erbschaftspolitik beleuchtet die hervorragend gestaltete Ausstellung anhand von einzigartigen Exponaten aus europäischen Sammlungen den Ehrgeiz, Ziele und Erfolge, aber auch Niederlagen und persönliches Leid der Hohenzollerinnen. Eine großformatige Karte „Spuren der Hohenzollerinnen in Berlin und Potsdam“ schließt die Ausstellung ab.
„Frauensache“ verdeutlicht, dass gezielte Heiratspolitik und die Entwicklung von Berlin-Brandenburg untrennbar miteinander verbunden sind. Ehen besiegelten politische Bündnisse. Durch Ehen wurden nicht nur die Grenzen erweitert, sondern auch soziale, kulturelle und politische Verbindungen hergestellt. Ehen verankerten die Hohenzollern in Europa: Von Italien bis Dänemark, von England bis nach Russland reichte das von den Frauen geknüpfte Netzwerk. So hat im Jahr 1614 Kurfürstin Anna das Erbe ihrer Mutter am Rhein sowie das Erbe ihres Vaters in Ostpreußen erstritten. Damit verdoppelte sich die Größe Preußens und reichte nun vom Niederrhein bis zum Baltikum.
Vom ältesten nachweisbaren Frauenkleid Brandenburgs (um 1460) über den Krönungsmantel der Königin Augusta bis zur Uniform der letzten Kaiserin präsentiert die Ausstellung Gewänder, die von den Rollen der Frauen erzählen: In der von Männern dominierten Welt des Hofes konnten sich Frauen nur durchsetzen, wenn sie ihre Spielräume geschickt ausnutzten. Mit dem richtigen Kleid wurden sie zur Ehefrau, Königin oder Mode-Ikone.
Der Einfluss der Hohenzollerinnen auf gesellschaftspolitische Entscheidungen und soziokulturelle Entwicklungen ist groß: So macht sich Jahr 1527 Kurfürstin Elisabeth an der Seite von Martin Luthers für die Reformation in Brandenburg stark. Die Künste und Wissenschaften hat Königin Sophie Charlotte mit Nachdruck gefördert. Um 1700 holt sie die italienische Oper und die französische Gartenkunst nach Preußen. Sie lud auch den berühmten Philosophen Leibniz ein. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab die schöne Königin Luise – Gemahlin von Friedrich Wilhelm III. – dem armen Preußen ein Gesicht, schaffte ein Gemeinschaftsgefühl über große geographische Distanzen und in kulturell verschiedenen Regionen, wurde zur identitätsstiftenden Ikone – unter Anderem als Symbol des Widerstandes gegen Napoleon. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wundern sich ausländische Besucher, dass im Deutschen Kaiserreich auch Frauen Uniform tragen. Kronprinzessin Cecilie stolziert uniformiert und mit Pickelhaube herum – und fördert damit das Bild von Preußen als militaristischem, konservativen Staat.
Der Ausstellung gelingt es, auch die Kehrseiten dieses Einsatzes des eigenen Körpers für politische Bündnisse und den Erhalt der Dynastie aufzuzeigen. Fruchtbarkeit und Familienleben werden vom Hof und der Öffentlichkeit sehr aufmerksam verfolgt. Als Sophie Dorothea (1687 – 1757, Königin von Preußen, Mutter des „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I.) zehn Jahre hintereinander alle ihre Kinder aufgrund von Krankheiten im Kleinkindalter verliert, mokiert sich die Öffentlichkeit über sie, sogar eine Scheidung wird dem König nahelegt. Auf Sophie Dorotheas Schultern lastet der Erhalt der gesamten Dynastie. Sie muss einen Sohn gebären. Sehr ergreifend ist der Schaukasten, der Kinderfiguren aus Holz mit bestürzend lebensechten Wachsgesichtern zeigt: Sophie Dorothea wollte der Öffentlichkeit beweisen, dass sie Kinder bekommen hat, dass sie nicht unfruchtbar ist, dass ihre Kinder nur früh verstorben sind. Die lebensgroßen Puppen tragen die Kleider, die ihre vier verstorbenen Kinder an ihren letzten Lebenstagen trugen. Schließlich gebar sie doch noch vier Söhne, die überlebten, unter ihnen der spätere Friedrich II. (Friedrich, der Große), der seine Mutter stets sehr verehrt hat. Als Kind war er jedoch so kränklich, dass man von einem frühen Tod ausging. Erst die Ankunft weiterer Söhne sicherte das Überleben der Familien-Dynastie.
Durch die feierliche Präsentation dieser Objekte in schwarzgerahmten Schaukästen wie von Dior oder Yves Saint Laurent wird der Lebenswelt von Frauen und Kindern, dem, was Schröder mal „Gedöns“ nannte, hier einmal am angemessenen Ort, im Schloss Charlottenburg, die späte Aufmerksamkeit gegeben, die es verdient.
Unter gesellschaftlichem Druck standen aber auch die Männer. Sie litten ebenso unter den erzwungenen Ehen: So hat Wilhelm I. nach jahrelangem Ringen auf Druck des Hofes endlich seine Verbindung zur geliebten Elisa aufgegeben. Im Jahr seiner Heirat mit Augusta, 1829, gibt er zu Papier: „Ich muss alle meine Gefühle zusammennehmen (…), aber es drückt mich doch gewaltsam nieder. Was die Gefühle einer schönen Vergangenheit betrifft, so sehe ich sie wie durch einen Schleier an, wie einen schönen Traum, bei dem ich mich freilich nicht zu lange aufhalten darf. Nur strenge Pflichterfüllung bringt einen da durch“.
Die Ausstellung verweist auch darauf, dass die Ausblendung der Rolle der Frauen nicht immer gleich rigoros betrieben wurde. So erfährt man aus der Ausstellung, dass die Hohenzollern, bevor sie 1701 selber Könige wurden, zuvor häufig sehr stolz auf ihre Mütter aus königlichen Familien gewesen sind.
Sehenswert sind auch die Fotografien von Franka Wohlt und Elfi Greb: sie haben „Frauenschlösser“ ins Visier genommen, zum Beispiel das Schloss auf der Pfaueninsel, das ganz nach den Vorstellungen von Wilhelmine, der Vertrauten von Friedrich Wilhelm II. gebaut wurde.
Zu empfehlen ist auch der reich bebilderte Katalog zur Ausstellung. Und für die Frau von heute kann man Becher mit rosa Aufschrift „Ich schaff alles“ oder T-Shirts für den weiblichen Nachwuchs im Prinzessinnenlook kaufen.
Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde
Ausstellung im Schloss Charlottenburg
22.08. – 22.11.2015
© Tanja Dückers, August 2015