Die Bilder und Zeichnungen Richard Müllers schmückten die Museen des »Dritten Reiches«. Jetzt sind seine Arbeiten in einer Doppelausstellung in Leipzig zu sehen.
von Tanja Dückers
Das Museum der bildenden Künste Leipzig vereint in seiner Ausstellung »Die Schöne und das Biest« die Arbeiten zweier höchst unterschiedlicher Künstler sowie eine »Dreingabe«, die ebenfalls Verwunderung hervorruft. Dem 1935 geborenen kalifornischen Pop-Art-Künstler Mel Ramos wird der altmeisterliche und NS-affine Dresdner Maler Richard Müller gegenübergestellt, der Dritte im Bund der Ungleichen ist Wolfgang Joop. Auf den Modeschöpfer stieß Hans-Werner Schmidt, der Direktor des Museums, eher zufällig, als er nach Leihgebern der Gemälde von Richard Müller suchte. Joop ist ein begeisterter Sammler der Werke Müllers. Als Schmidt den in Potsdam lebenden Designer besuchte, erfuhr er, dass der gelernte Kunstmaler Joop Bilder von Affen in blumigen Landschaften mit Mädchen und Engeln gemalt hat. Prompt wurde er eingeladen, sich an der geplanten Ausstellung zu beteiligen. Die altbacken wirkenden Bilder des Modemachers dürften nicht der wichtigste Grund dafür gewesen sein. Durch die Beteiligung Joops importierte man einen gewissen Glamour.
Die Parallele, die die Ausstellung zwischen dem heiter-ironischen Pop-Art-Künstler aus Kalifornien und dem vor fast 60 Jahren gestorbenen sächsischen Maler zieht, beruht darauf, dass beide den nackten weiblichen Körper vor der Kulisse einer exotischen Tierwelt dargestellt haben. Dieses rein auf die Motivik konzentrierte Interpretation blendet aus, dass beide Künstler einen sehr unterschiedlichen Ausgangspunkt haben.
Mel Ramos wurde in den Sechzigern mit seinen »Commercial Paintings« berühmt, in denen er Pin-ups neben Konsumprodukten wie Cola-Flaschen oder auf riesigen Zigarrettenschachteln platzierte. Mit seiner Überpointierung ironisiert er Werbestrategien und zeigt, wie der weibliche Körper als Konsumartikel feilgeboten wird. Ramos’ verfremdete Bilder sind Bestandteil der Pop-Art- Ikonographie. Während er mit Witz und Doppelbödigkeit arbeitet, setzt Müller auf faden Pomp und faschistoides Pathos. Gern färbt er den Himmel dramatisch ein – Götterdämmerung überall. Die 60 Arbeiten des Pop-Art-Malers hätten dem Leipziger Museum eigentlich eine eigene Ausstellung wert sein können. Mit Müller möchte das Museum jedoch, wie es im Begleittext zur Ausstellung heißt, einen »von der Kulturpolitik der DDR (…) als ›Nazi-Künstler‹ Stigmatisierten« wiederentdecken. Für die Zurückhaltung gegenüber Müller gab es allerdings auch gute Gründe. Müller lehrte als Professor für Zeichnung an der Dresdner Akademie, deren Rektor der 1933 der NSDAP beigetretene Künstler im selben Jahr wurde. Er unterstützte die von Reichskommissar Manfred von Killinger angestrengte Entlassung Otto Dix’ als Professor der Dresdner Akademie. In seinem 1933 im Dresdner Anzeiger erschienen Artikel »Spiegelbilder des Verfalls in der Kunst« rechtfertigte Müller die Diffamierung Dix’ in der Dresdner Austellung »Entarte Kunst«: »Welch schwere Schuld haben manche Leute auf sich geladen, als sie ausgerechnet diesen Mann als Lehrer an die Kunstakademie beriefen und so die Jugend jahrelang seinem vergiftenden Einfluss aussetzten, einer Tätigkeit, der durch seine Entlassung im Frühjahr dieses Jahres ein wohlverdientes Ende bereitet worden ist.« Müller war zudem an der Vorbereitung der Dresdner Ausstellung »Entartete Kunst« im Neuen Rathaus beteiligt, die als Vorläufer der berüchtigten Propagandaschau unter demselben !Titel in München 1937 gilt.
Im »Dritten Reich« war Müller als Kunstmaler hochgeschätzt. So war er mehrere Male auf den »Großen Deutschen Kunstausstellungen« im Münchner Haus der Deutschen Kunst vertreten, einmal mit einer Zeichnung von Adolf Hitlers Geburtshaus. Nach Darstellung des Dresdner Malers Hans Grundig hat Müller gegen Ende des Zweiten Weltkriegs einen verwundeten Soldaten der Gestapo übergeben. Der junge Mann war einer seiner Studenten und hatte sich gegen den Krieg ausgesprochen. George Grosz, Schüler von Müller, beschreibt ihn in seinen Erinnerungen (»Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt«) als sadistisch veranlagten Lehrer mit militärischem Habitus. Über den 1954 in Dresden verstorbenen Künstler erklärt das Leipziger Museum nun in anklagendem Ton: »Zu DDR-Zeiten fanden weder Ausstellungen noch eine wissenschaftliche Aufarbeitung statt.« In einem Beitrag der Leipziger Internet-Zeitung wird Schmidt mit den Worten zitiert: »Bis heute gab es in Dresden keine Ausstellung für Richard Müller.« Die Dresdner haben Müller wohl aus gutem Grund keine Einzelausstellung gewidmet. Die Leipziger entdecken ihn nun wieder!
Das kuratorische Konzept, zwei so unterschiedliche Künstler mit so unterschiedlichen künstlerischen Absichten und Strategien wieMüller und Ramos allein aufgrund motivischer Ähnlichkeiten zu vereinen, leuchtet nicht ein. Ramos’ popartige Auratisierung der Oberfläche und seine Konsumkritik haben nichts gemein mit Müllers faschistischer Weltanschauung, die nicht zuletzt in der Darstellung des gesunden, starken und naturhaften Körpers ihren Ausdruck findet. Fraglich ist zudem, ob es sich bei Müller um den Vorläufer des Surrealismus eines Max Klingers handelt, wie die Ausstellung glauben machen will. »Reichlich erstaunt über die offensichtlich ahistorische Ausstellung« zeigt sich in einer Stellungnahme auch Christoph Zuschlag, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Koblenz und Autor des Werks »Entartete Kunst. Ausstellungsstrategien im Nazi-Deutschland«. Müller sei ein Handwerker gewesen, der »herumklingerte«, aber nirgends an sein Vorbild Klinger heranreichte. Zuschlag erkennt im Werk Müllers einen »verquasten Symbolismus« und bekennt: »Ich finde die Arbeiten ganz grauenhaft.«
Zu den Bewunderern des graphischen und malerischen Werks Richard Müllers zählte Hitler. Er setzte den Künstler 1944 auf seine sogenannte »Gottbegnadeten-Liste«, womit Müller wie etwa Arno Breker als »unverzichtbarer« Künstler galt und vom Kriegseinsatz verschont blieb.
Die Schöne und das Biest. Richard Müller & Mel Ramos & Wolfgang Joop. Museum der bildenden Künste Leipzig. Bis 12. Januar 2014