ZEIT, 13. Juni 2008
Zwischen Punk-Nihilismus und Sowjet-Nostalgie: Eine Reise in die Republik Moldau und den Phantomstaat Transnistrien
Dass die Republik Moldau im Bewusstsein der Deutschen nicht gerade einen vorderen Platz einnimmt, wurde beim Abflug in Frankfurt am Main auf skurrile Weise deutlich. Am größten Flughafen des Kontinents hatte das Bodenpersonal keine Vorstellung davon, wohin die Reise gehen sollte. Chişinău? Man vermutete, wir wollten nach Kiew oder Charkow. Man rätselte, welchen Namen einer französischen Stadt wir fehlerhaft aussprechen würden oder ob wir nach Israel oder Afrika wollten. Wegen dieser Schwierigkeiten hätten wir beinahe die – halbleere – Air Moldova-Maschine verpasst. Von der verspiegelten Frankfurter Skyline bis nach Chişinău, der Hauptstadt des ärmsten europäischen Landes, sind es ganze zwei Flugstunden. Doch die Republik Moldau musste als Vorlage für die Bestseller-Satire über obskure postsowjetische Länder „Molwanien – Das Land des schadhaften Lächelns“ herhalten.
In Chişinău regnet es in Strömen. Nach fünf Minuten Fahrt bleibt unser Taxi mit Motorschaden liegen. Es dauert, bis wir auf der breiten leeren Straße ein anderes finden. Irgendwann sind wir jedoch bei der Mutter einer Bekannten in einem verwinkelten Holzhaus angekommen. Am nächsten Morgen in der Stadt stechen sofort die vielen verschiedene Schriften und Sprachen ins Auge: Rumänisch in lateinischer und in kyrillischer Schrift und viel Russisch. Und jede Menge krude Mischformen. Manchmal kann das Geschick eines ganzen Landes von einer Schreibweise abhängen: Nach dem Zusammenbruch der UdSSR weigerte sich ein Teil der Moldauer, ihre Sprache (ein Dialekt des Rumänischen) weiterhin in Kyrillisch zu schreiben, wie es ihnen die Russen seit 1940 abverlangt hatten. Heute feiern die Moldauer nicht nur die Unabhängigkeit von der Sowjetunion (27. August), sondern auch den „Tag unserer Sprache“ (31. August). „Limba Noastră“ heißt seit 1994 die Nationalhymne der jungen Republik.
Unsere Sprache ist ein Schatz / in der Tiefe vergraben /
Eine Kette von edlen Steinen / Auf unserm Land verstreut.
(Text von Alexei Mateevici, 1888–1917). Mit solcherart Nationalstolz tut sich Nicoleta Esinencu (Jg. 1978), eine der bekanntesten jungen Künstlerinnen aus Chişinău schwer. Die Moldauer sind Patrioten / Auch wenn sie nicht so genau wissen, was ihr Vaterland ist hat sie in einem Theaterstück geschrieben. Nicoleta hat schon viele Moldauer mit ihren bissigen Texten geärgert. Und Rumänen, Deutsche, Niederländer oder Franzosen, die ihre Stücke mit Erfolg auf die Bühne bringen, begeistert. Denn Nicoletas Kritik an Nationalismen ist universal. Nicoleta sieht aus wie Pumuckl in Blond. Zu ihrer Wuschelmähne trägt sie Jeans, Parka und abgelaufene Turnschuhe, womit sie sich von den meist sehr zurechtgemachten jungen Frauen in Moldau ziemlich unterscheidet. In ihrem Stück „FUCK YOU, Eu.ro.Pah“ (2005) hat sie sich mit den Illusionen der Rumänen und ihrer Landsleute über einen EU-Beitritt auseinandersetzt. Die Veröffentlichung des Stücks im Begleitheft des Rumänischen Pavillons der 51. Biennale von Venedig löste solch eine Kontroverse aus, daß das Stück der damals erst 23-Jährigen im Bukarest im Parlament diskutiert wurde. Wie kommt es, dass eine junge Frau aus einem armen Land (das Pro-Kopf-Einkommen in der Republik Moldau beträgt 100 Euro im Monat. Pensionäre erhalten 15 Euro) über die EU Witze macht? Nicoleta winkt ab. Sie ist nicht EU-feindlich, findet aber die Hoffnungen, die viele Länder der Region mit einer Aufnahme verknüpfen, übertrieben. Auch kommt ihr der Gesinnungswandel heuchlerisch vor: „Zu meiner Schulzeit hätten sich viele Lehrer eher die Zunge abgebissen als das Wort Europa auszusprechen. Wenn man es nicht vermeiden konnte, wich man auf Eurasien aus.“
Ihr intellektueller Punk-Nihilismus hat Nicoleta unter anderem ein Stipendium nach Schloß Solitude (bei Stuttgart) eingebracht. In diesen Monaten hat sie ein wenig Deutsch gelernt. Ihr Lieblingswort ist „Scheiße“ oder, ihrer Aussprache gemäß, „Scheise“. Wir können keine 200 Meter durch Chişinău gehen ohne dass sie irgendetwas als „Scheise“ bezeichnet. Manchmal wechselt sie auch ins Englische, um ihrem Unmut über die verquere Situation, in der sich ihr Land befindet, Ausdruck zu verleihen. Come on! sagt sie und rollt die Augen. Und ihr It’s so crazy höre ich noch Wochen nach der gemeinsamen Moldaureise im Schlaf. Wir befinden uns in einem verrückten Land mit einem verrückten Sprachengewirr, verrückten Kommunisten, Antikommunisten, Nationalisten, EU-Hassern und glühenden EU-Befürwortern, verrückten, stolzen und gebrochenen Menschen.
Dabei lässt Nicoleta unter ihrer ruppigen Art eine zutiefst humane Weltsicht durchblicken. „Die Leute hier sagen, in Moldau solle es nach der Unabhängigkeit keinen russischen Einfluss mehr geben. Come on! Hier leben nun mal jede Menge Russen … sollen die sich denn in Luft auflösen? Nach 1991 gab es überall den Spruch ‚Koffer! Bahnhof! Russland!’ Man hätte am Liebsten alle Russen aus dem Land geworfen. Das ist doch crazy.“
Bei all den vielen Veränderungen ist Chişinău, Nicoletas Heimatstadt, wenigstens sein schlechter Ruf geblieben: Am Rande des russischen Imperiums gelegen, galt die Provinzstadt schon im Zarenreich, zu dem sie nach 1818 für einige Zeit gehörte, als übles Nest und wurde als Strafversetzungslager für Unzufriedene und Aufmüpfige benutzt. Der junge Alexander Puschkin, von 1820 bis 1823 nach Kischinjow verbannt, schrieb: Oh Kischinjow, oh dunkle Stadt! Verfluchte Stadt Kischinjow, die Zunge wird nicht müde dich zu beschimpfen.
180 Jahre später holt Nicoleta Esinencu in ihrem Prosa-Essay Chişinău – eine Stadt der Kopfschmerzen! zu einer Schimpftirade aus: „Die Chişinăuer ziehen es vor, eine Eintrittskarte für das Historische Nationalmuseum zu kaufen, nur weil der Eintritt ins Museum billiger ist als der für ein öffentliches WC.“
Zum Abendbrot kommt der Schriftsteller und Herausgeber Vitalie Ciobanu vorbei. Chişinău ist eine seltsame Metropole: Stalinistische Pachtgebäude an breiten Alleen in der Innenstadt, gleichzeitig geduckte Häuser und viel Grün. Dass wir uns nur fünf Minuten von der Hauptgeschäftsstrasse im Zuckerbäckerstil befinden, ist in unserer gemütlichen Stube kaum zu erahnen.
Vitalie Ciobanu (Jg. 1964) hat vor vierzehn Jahren mit einem Kollegen die Kulturzeitschrift „Contrafort“ (Gegenkraft) gegründet. Vitalie, der sich im Gegensatz zu Nicoleta eher elegant kleidet und zunächst etwas scheu wirkt, erzählt über die Anfänge von „Contrafort“: „Wir wollten uns von den älteren Kollegen absetzen, die nach dem Fall der Sowjetunion in nationale Mythen wie im 19. Jahrhundert verfielen. Wir wollten uns auch endlich mit neuen Ideen und Tendenzen in den europäischen Literaturen ‚synchronisieren’. Und stilistisch wollten wir uns auch absetzen, wir haben uns als Anhänger der Postmoderne verstanden und uns ‚Europäer’ genannt.“
„Contrafort“ wurde zunehmend die Plattform für junge, innovative Literatur aus der Republik Moldau. Vitalie ist froh darüber, dass das Blatt bald in Rumänien Anerkennung fand und Schriftsteller aus Paris, Rom, Berlin, Prag und New York mittlerweile schon für die Zeitschrift geschrieben haben. Internationalität ist Vitalie, der Präsident des moldauischen PEN-Clubs ist und begeisterter Teilnehmer des „Literatur Express Europa 2000” (einem Projekt der LiteraturWERKstatt Berlin) war, sehr wichtig. Wie Nicoleta hatte er am Anfang die größten Schwierigkeiten im eigenen Land: Man beschimpfte ihn und seine Freunde als „Elitisten“, „Freimaurer“, „Pro-Israelis“ oder „Pro-Ungarn“. Als Ungarn wurden sie beschimpft, weil sie finanzielle Unterstützung von der Soros-Stiftung erhalten hatten, die der ungarisch-jüdisch-amerikanische Investmentbanker George Soros, ein Überlebender der deutschen Besatzung von Budapest, kurz nach der Wende gegründet hat.
Als wir auf die gegenwärtige Regierung und Präsident Voronin zu sprechen kommen, bricht der sonst so besonnen wirkende Vitalie in einen Redeschwall aus. Er erzählt, dass die jetzige Regierung in den Nachrichtensendungen wieder die Zensur eingeführt hätte. It’s crazy, sagt Nicoleta, die mit am Tisch sitzt. Vitalie nickt und spricht über die “hinterwäldlerische regionalistische Isolation”, die die Behören in Chişinău betreiben würden. Daß „Contrafort“ mittlerweile vom Rumänischen Kulturinstitut in Bukarest unterstützt wird, hat bei den Verantwortlichen im Kulturministerium in Chisinau, die gegen eine Annäherung an das vergleichsweise mächtige Nachbarland sind, Argwohn hervorgerufen. Das Kulturministerium selbst würde die Kosten jedoch nicht übernehmen.
“Ich werde nie die Rolle eines Schriftstellers nur für Moldau akzeptieren”, regt sich Vitalie auf. “Ich schreibe in Rumänisch, ich will Zugang zu einer gewissen Universalität haben, Literatur kann doch nicht an nationalen Grenzen enden. Vor allem, wenn es um die gleiche Sprache geht. Wenn ich Österreicher wäre, würde das doch auch nicht bedeuten, dass mich die Literatur aus Deutschland nicht zu interessieren hat … und deshalb bin ich doch noch lange nicht für den Anschluss Österreichs an Deutschland!”
Vitalie hat keinen der hier in Chişinău so beliebten Windbeutel mit Karamellfüllung angerührt. Er ist noch nicht am Ende angelangt: “Selbst wenn Du Dich noch so sehr der kreativen Arbeit hingibst, kannst Du einfach nicht die depressive Atmosphäre um Dich herum ignorieren.”
Nicoleta schenkt sich noch einen Wodka ein. Sie selbst verbringt mehr als die Hälfte des Jahres mit Theaterproduktionen und Stipendien im Ausland. „Moldau interessiert sich nicht für mich, warum soll ich mich für das Land interessieren?“ sagt sie. Ihre Stücke werden in Moldau kaum aufgeführt, ihre Bücher nicht verlegt. Weshalb sie sich einen Verlag in Bukarest gesucht hat. In Deutschland wird demnächst im Rahmen des vom Berliner „büro für kulturelle angelegenheiten“ organisierten Theaterfestivals “Moldova Camping”, auf dem sich junge Künstler aus der Republik Moldau vorstellen, ihr Stück “√.md” uraufgeführt.
“Aber das größte Problem ist natürlich Transnistrien“, meint Vitalie und seufzt. It’s very crazy, sagt Nicoleta. Die Pridnestrowische Moldauische Repubik (PMR), auch Transnistrien genannt, ist ein pro-russischer Phantomstaat mit stabilisiertem de-facto-Regime auf moldauischem Boden. Seit Ende 1991 regiert der Familienclan Smirnov das Land totalitär. In Transnistrien lagern heute sowohl die größten Weinvorkommen des ganzen ehemaligen Ostblocks wie auch das umfangreichste Arsenal an konventionellen Waffen auf europäischem Boden. Das von der moldauischen Regierung nicht kontrollierte Gebiet (so groß wie das Saarland) mit eigener Regierung, Währung und aufwändigen Grenzanlagen gilt als Geldwaschanlage, Drogen- und Schmuggelhölle, als „black hole“ – das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die selbsternannte Republik Transnistrien. Für die Moldauer ist die Präsenz der russischen “Friedenstruppen” im eigenen Land eine Katastrophe. „Einen Friedensvertrag mit Transnistrien und eine Reintegration der Region in unser Land kann ich mir nicht ohne vorherige Demilitarisierung und Entkriminalisierung vorstellen – sonst haben wir keine Europäisierung Transnistriens, sondern eine Transnistrisierung Moldaus. Und dann sind wir noch mehr Bestandteil der russischen Einflusssphäre“, meint Vitalie und fährt leise fort: “Mit diesem Problem hat Moldau keine Chance, EU-Mitglied zu werden.” Come on! Nicoleta rollt mit den Augen. Vitalie greift weder zu den Windbeuteln noch zum Wodka, er legt einen Stapel „Contrafort“ auf den Tisch.
Am nächsten Tag fahren wir für knapp eine Woche in dieses Gebiet, das auch als „Museum des Kommunismus“ bezeichnet wird. Das sichtbarste Kulturgut sind die zahlreichen Lenin-Denkmäler. Ansonsten Plattenbauten, leere Straßen, wucherndes Grün, Militär – ein Drittel der Region ist militärisches Hoheitsgebiet. It’s crazy. Im Heimatkundemuseum bewundern wir eine Lenin-Andachtsstätte. Auf so engem Raum sind wohl noch nie derart viele Leninbüsten, -skulpturen, -gemälde, gestickte, gehäkelte Lenins, aus Melonenkernen zusammengesetzte Lenins und so weiter versammelt worden. Außer bei Frau Bondarenko im Büro der kommunistischen Oppositionspartei in der Hauptstadt Tiraspol. Aber hier entdecken wir auch noch Stalin. Frau Bondarenko ist studierte Juristin mit dem militärischen Rang eines Majors. Fragen nach illegalem Waffenhandel in Transnistrien kontert sie thematisch passend: „Selbst wenn Sie mir eine Kalaschnikow an die Schläfe halten würden, würde ich Ihnen hierauf keine Antwort geben!“ Gespräche über Kultur, gar Kulturförderung sind nicht in ihrem Interesse. „Die Menschen hier wollen keine moderne Kunst. Nur die realistische Kunst kann zum Menschen sprechen“. Die Rückfrage, was sie denn von berühmten russischen Malern wie Kandinsky oder Malewitsch halte, missfällt. „Die hatten doch nur im Ausland Erfolg. Das ist keine gute Kunst. Amerikaner kaufen so etwas.“
Am Ende überreicht uns Frau Bondarenko ein selbstverfasstes Theaterstück. Es geht um Soldaten, die um ihren Lohn betrogen worden sind. Wir befinden uns mitten im (ewigen) Klassenkampf. Das Stück ist in der Antike angesiedelt; auch Kleopatra taucht noch auf.
Von der Zweckfreiheit der Kunst hält auch der Direktor des staatlichen Radios wenig. Der große beleibte Mann ist erst vor einem halben Jahr vom Innenministerium auf seinen Posten gehievt worden. Der Besuch in seinem Büro artet zu einem Monolog über die Unterdrückung der Pridnestrowier durch die Moldauer aus. Während er spricht, hält er ein ausgestrecktes Teppichmesser in Richtung Nicoleta, der einzigen Moldauerin in der Runde (Scheise). Auf dem Tisch steht eine russische Fahne. Über dem Direktor hängen christliche Ikonen an der Wand. Größer ist nur das Bild von Präsident Smirnov (It’s crazy). Am Ende gibt es wieder ein Geschenk. Selbstverfasste Lyrik: „Der gute Weg“ – religiös-nationalistische Erbauungspoesie. Später wird Nicoleta dichten: Um welche Grenze es geht, zählt überhaupt nicht mehr. Hier wird der Frieden mit dem Panzer gemacht.
Das wichtigste Kulturgut Transnistriens ist wahrscheinlich im Moment der Sport, genauer gesagt, der Fußball. Das Stadion an der Stadtgrenze von Tiraspol wirkt nicht nur angesichts der tristen Plattenbauten pompös. Kaum jemand würde ausgerechnet hier eine der modernsten Sportanlagen Südosteuropas vermuten. Neben dem schicken „Sheriff-Stadion“ gibt es ein Dutzend Trainingsplätze, eine riesige Halle und sogar eine Sheriff-eigene Fußballakademie für Nachwuchskicker. Während schlecht gekleidete Arbeiter sich für 50 Euro im Monat um die akkurat angelegten Blumenbeete kümmern müssen, entsteht neben dem Areal gerade ein 5-Sterne-Luxushotel. Der bombastische Sportpalast läßt Nicoleta gleich an Ceausescus Casa Popolurui denken, das seinerzeit ein Sinnbild für den absurden Missbrauch von Macht war. Die megalomane Sportanlage ist dem armen Land nur möglich, weil der Namensgeber des Clubs gleichzeitig Inhaber des größten Unternehmen des Landes ist: Tankstellen, Supermärkte, Fernsehen und Radio, eine Kognak-Fabrik – beinahe alles, was man in Transnistrien zu Geld machen kann, befindet sich in Besitz von Sheriff. Wie es der Zufall will, ist der Besitzer dieses Monopolunternehmens der Sohn des Präsidenten. Der Club wurde 1997 gegründet und stieg in kurzer Zeit in die 1. Liga auf. Dort dominiert er heute seine Gegner: Im Mai wurde der FC Sheriff zum achten Mal in Folge moldauischer Fußballmeister. Der konkurrenzlose Erfolg ist allerdings kein Wunder, denn als einziger Club weit und breit kann Sheriff es sich leisten, zahlreiche ausländische Spieler zu verpflichten, darunter nicht nur rumänische, sondern auch brasilianische und afrikanische Legionäre.
Während ansonsten in dem zweigeteilten Land zumindest offiziell kein gutes Wort übereinander gesagt wird, sind beim Fußball plötzlich alle vereint. Da auch die FIFA Transnistrien nicht anerkennt, spielen die Clubs von beiden Seiten des Dnister in der „Divizia Națională“, der moldauischen Liga. „Natürlich gibt es auch Spannungen zwischen den Anhängern“, sagt Andrej, „aber es kommt nie zu ernsthaften Konflikten.“ Selbst an der Grenze gebe es keine Probleme. „Die moldauischen Fans werden manchmal gar nicht kontrolliert, weil es so viele sind.“ Andrej muss es wissen. Schließlich ist der 24-Jährige, der perfekt deutsch spricht, beim FC Sheriff für Visa-Angelegenheiten und die Arbeitserlaubnis ausländischer Spieler zuständig. Die wundersame Wiedervereinigung im Stadion kann aber auch er nicht ganz erklären. „Die Situation ist paradox“, meint er und lächelt verlegen. Natürlich gehe es auch um Geld und Renommee. Weil das Stadion eines der wenigen in der Region ist, das internationalen Standards entspricht, muss das Nationalteam oft im Stadion von Sheriff spielen. Wie etwa am 19. August, wenn die deutsche U-21 Nationalelf dort ein Qualifikationsspiel für die Junioren-Europameisterschaft bestreitet. Dann jubeln transnistrische und moldauische Fans gleichermaßen ihrer Mannschaft zu. Vermutlich haben die deutschen Spieler keine Ahnung, welch seltenes Spektakel sie in Tiraspol erleben werden: Die transnistrische Polizeikapelle, dirigiert von einem Geheimdienstoffizier, gibt die feindliche Nationalhymne zum Besten. Über dem Sheriff-Stadion wird die ansonsten verhasste moldauische Fahne wehen.
Eine Zeitlang hatte Transnistriens Präsident Smirnov die Spiele mit den Moldauern in einer gemeinsamen Nationalelf verboten. Dann ließ er sich doch überzeugen, dass es keine bessere Möglichkeit gibt, seine kleine separatistische Republik im Ausland zu präsentieren.
Auf dem Rückweg von Transnistrien passiert man innerhalb weniger Kilometer so viele Grenzen und Grenzposten wie nirgendwo in Europa. Die Grenze zur Ukraine im Osten mitgerechnet sind es sieben Kontrollen, die man über sich ergehen lassen muß, wenn man nach Rumänien will. Scheise. Für die knapp 200 Kilometer von Tiraspol braucht man viel Zeit und Geduld.
Wir sind wieder in Frankfurt gelandet. Verspätet. Ein Koffer ist auch noch weg. Und niemand weiß, mit welcher Maschine wir gekommen sind.
„Aus Kiew?“, „Charkow?“ „You – french?“
„Air Mongolia“?
Jetzt geht das wieder los.