In unserem Lab nannte sich das Thema „Neue Wirklichkeit Kulturelle ArbeitsWelt(en). Zwischen Avantgarde und Prekariat“.
Moderator Stephan Behrmann vom Bundesverband Freie Darstellende Künste war
über Nacht eingesprungen, wegen Erkrankung der Theatermacherin Wiebke Hagemeier, und erwies sich als Glückstreffer, der die Fäden des kontroversen Themas gut zusammenführen konnte.
Wir stiegen gleich ein mit der Frage danach, warum es solch eine Kluft zwischen dem Image einer Stadt wie Berlin als „Kreativen Hotspot“ und prosperierender Kulturmetropole, die nicht zuletzt wegen ihrem kreativen Flair und ihrem breiten kulturellen Angebot Millionen Touristen anlockt und den realen Einkommensverhältnissen der Künstler auf der anderen Seite.
Auf dem Podium saßen neben mir (Tanja Dückers, Schriftstellerin und Publizistin),
Katharina Beitz, Assoziierte Forscherin am Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft, Andreas Lübbers, Dramaturg, Mitglied art but fair e.V., Theresa Pommerenke, Co-Initiatorin des Denk- und Produktionsorts Libken e.V. in der Uckermark. Wir waren uns bald einig, dass Kunst und Kultur, ob mitten in der Großstadt oder auf dem Land wie in der Uckermark meist für selbstverständlich gehalten und der kreative Aufwand erheblich unterschätzt wird. Es wurde auf die enorme – und wachsende – Bedeutung der Kreativindustrie hingewiesen, deren Einnahmen (die nur einigen wenigen zugute kommen) längst die Chemieindustrie in Deutschland überrundet haben.
Wir diskutierten, ob nicht in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten viele Berufe durch die Digitalisierung überflüssig werden würden – zumindest lassen sich viele Tätigkeiten ersetzen, nicht jedoch die kreative Arbeit. Ob es Bücher in klassischer haptischer Buchform oder Theaterstücke auf einer Bühne aus Holzbrettern gibt, ändert nichts am Fortbestand der kreativen Arbeit, auch wenn die Medien sich ändern mögen. Insofern ist die kreative Arbeit die, die trotz ihrer oft zu geringen gesellschaftlichen Anerkennung oder zumindest der zu geringen monetären Anerkennung am Ehesten die Umbrüche der Digitalisierung überdauern wird.
Wir sprachen über die Gründe der zu geringen Entlohnung, denn Künstler sind ja längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen und eben keine sozialen Randfiguren mehr wie zu Zeiten Spitzwegs (1839, „Der arme Poet“). Mit Kunst und Künstlern schmückt man sich gern, aber kosten sollen sich möglichst wenig. Es herrschte Einigkeit, dass Künstler über keine Lobby verfügen, die sich öffentlichkeitswirksam für sie einsetzt – auch wurde über die „Psychologie“ der sich gern selbst vereinzelnden Künstler gesprochen, die nicht in der Gruppe wie die Lokführer oder Piloten auf die Straße gehen, sich für eine / ihre gemeinsame Sache einsetzen möchten. Wer diesen Beruf ergriffen hat, arbeitet meist lieber für sich und ist gern autonom. Das gegenseitige Sich-Niederkonkurrieren mittels der Akzeptanz viel zu niedriger Honorare oder Entlohnungen, das Lohndumping wurde auch als ein zentrales Problem angesehen – ebenso die fehlende oder unzulängliche Altersvorsorge (die KSK, deren Gründer gerade verstarb, wurde erst 1983 gegründet – einige der Künstler, die jetzt alt werden, haben aber schon vorher von ihrer schöpferischen Tätigkeit gelebt. Auch für Künstler heute muss trotz KSK mit einer sehr prekären ökonomischen Situation im Alter gerechnet werden).
Kritisiert wurde auch der große Unterschied in der Entlohnung von kreativer Arbeit abhängig von den Bundesländern. Die föderale Struktur kann kein Argument sein für eine erhebliche Andersbehandlung und –entlohnung von Künstlern, die zufällig im „falschen“ Bundesland leben. Neben dem Stadt-Land-Gefälle und der zu geringen und nicht dauerhaft, sondern nur projektbezogenen Unterstützung für Einrichtungen wie dem Libken e.V. als wichtiger und lokal gut angenommener Kultureinrichtung in der Uckermark fällt auch der gravierende Unterschied zwischen den Honoraren beispielsweise in einem Bundesland wie Bayern im Vergleich zu Berlin auf. Im Grunde müssten alle Berliner Kreativen so schnell wie möglich in Bayern ihren Erstwohnsitz melden… N
Wir besprachen nun mögliche Forderungen an die Politik – in der Kürze der Zeit wurden Themen wie die Sicherung bzw. Modifizierung des Urheberrechts zugunsten der Erzeuger, die politische Einflussnahme auf die Alterssicherung,
In dieses Gespräch war das Publikum rasch, rege und im wahrsten Sinne des Wortes auf Augenhöhe involviert.
© Tanja Dückers, Berlin, im April 2018