veröffentlicht auf ZEIT Online, März 2015
Wer mehr Gerechtigkeit für alle Religionen will, braucht keine Religionssteuer. Es ist auch naiv zu glauben, Radikalität ließe sich verhindern, wenn der Staat Geld gibt.
Das Kirchensteuermodell steht in Deutschland, spätestens seit dem Skandal um den Bischöflichen Stuhl in Limburg, auf dem Prüfstand. Viele Ideen wurden geäußert, nicht wenige von ihnen zielen eher auf eine Ausweitung der staatlichen Unterstützung für Glaubensgemeinschaft denn auf eine – überfällige – konsequentere Trennung von Kirche und Staat in Deutschland. So wurde jüngst der Vorschlag gemacht, die Kirchensteuer durch eine sogenannte „Religionssteuer“ zu ersetzen. Nach diesem Vorschlag würde jeder Steuerzahler ein Häckchen hinter diejenige Religionsgemeinschaft setzen, die er mit seinem Anteil bedenken möchte. Die Begründung hierfür lautet, dass es der Staat, wenn er schon die Kirchensteuer eintreibt, diesen Dienst nicht nur ausschließlich Protestanten und Katholiken anbieten sollte. Von dieser staatlich unterstützten Spendenverteilung sollten alle Glaubensgemeinschaften profitieren können. Dies mag zwar politisch konsequenter erscheinen, zeitgemäßer ist es nicht.
Die Bundesregierung würde das falsche Signal setzen, wenn sie ernsthaft beabsichtigte, eine „Religionssteuer“ zu erheben. Allein der Begriff ist ein Hohn für alle, die an eine Trennung von Kirche und Staat glauben – ein sprachlicher Zwitter, der symbolhaft für die Verbindung beider Begriffe steht. Mit der Durchsetzung solcher Vorhaben entfernen wir uns nur von dem Ziel eines wirklich säkularen Staats. Um möglichst „gerecht“ zu sein, opfern wir das hohe Gut der relativen Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Staates von der Kirche, respektive den Kirchen. Im 21. Jahrhundert sollte die Kirchensteuer nicht noch in ihrem Anwendungsbereich erweitert, sondern – wie seit Jahren von vielen Seiten gefordert – abgeschafft werden. Der Umgang mit anderen Glaubensgemeinschaften in Deutschland wäre damit ebenso konsequent und fair.
Außerhalb des deutschsprachigen Raums existiert in nur wenigen Ländern eine Kirchensteuer. In Frankreich, England, den Niederlanden, selbst im katholischen Polen wird keine Kirchensteuer erhoeben. Auch sehr katholisch geprägte Länder wie Italien und Spanien sind weiter als wir: Der Steuerpflichtige kann auf der Steuererklärung angeben, welcher Religionsgemeinschaft seine Steuer zugewiesen werden oder ob sie für soziale Zwecke verwendet werden soll.
Ähnliche Überlegungen wie verschiedene Glaubensgemeinschaften in Deutschland gleichgestellt werden können, tauchten auch schon im Zuge der erhitzten Debatte um religiöse Feiertage auf: Vor zweieinhalb Jahren hatte die Stadt Hamburg als erstes Bundesland ein Gesetz erlassen, nachdem Muslime bei muslimischen Feiertagen der Arbeit fernbleiben können, die Kinder nicht zur Schule gehen müssen. Die Neuregelung sieht hier zwar keine gesetzliche Feiertage vor, aber vom Staat und vom Arbeitgeber zu respektierende Feiertage, die ein Gläubiger in Anspruch nehmen darf. Das klingt auf den ersten Blick alles sehr tolerant und schön. Aber man muss in solchen Gesetzen auch den Vormarsch der Religion im alltäglichen Leben registrieren: es ist mit derart elastischen Gesetzen nur eine Frage der Zeit, wann Juden, Buddhisten, Hindus und Vertreter weiterer Glaubensrichtungen – mit Fug und Recht – einklagen, ebenfalls ihre nicht-gesetzlichen Feiertage jederzeit in Anspruch nehmen zu wollen. Wo soll da eine Grenze gezogen werden? Ab welchem Bevölkerungsprozentsatz?
Der Weg, noch mehr Glaubensgemeinschaften zu unterstützen, kann nicht richtig sein.
Zudem ist die Vorstellung, man könne etwa durch eine „Moscheesteuer“ die Geldzuwendungen aus Ländern wie Saudi Arabien unterbinden, naiv. Ein Blick in andere europäische Länder lohnt: In Bulgarien beispielsweise wird eine Moschee nach der anderen gebaut, rechtmäßig ist das nicht. So gibt es „Schenkungen“ und Spenden von reichen Privatpersonen mit bulgarischem Pass, Gemeindemitgliedern. Diese Spenden haben sie vorher, privat, aus dem Ausland erhalten. Ein solches Vorgehen kann man gar nicht unterbinden, wenn man nicht die Konten aller Mitglieder einer religiösen Gemeinschaft ausspioniert – was wohl kaum wünschenswert wäre.
Ebenso wenig überzeugend ist die Vorstellung, dass in Deutschland ausgebildete Imame (oder Vertreter anderer Religionen) notgedrungen unglaublich demokratisch, pazifistisch, freiheitlich und aufklärerisch orientiert sein werden. Dafür gibt es viel zu viele Gegenbeispiele – auch innerhalb der christlichen Kirchen. Radikalität, ob religiös oder nicht motiviert, lässt sich nicht auf diese Weise, von Amts halber, im treuen Glauben, wo der Staat wirke, da herrsche ideologische Kontrolle, unterbinden. Gruppen wie der NSU haben sich erschreckend mühelos aus dem deutschen Bildungssystem heraus entwickelt, nicht etwa auf einer abgeschotteten sozialen Insel.
Am Ende werden radikale Vertreter verschiedener Glaubensgemeinschaften sowohl vom Ausland als auch noch freundlicherweise vom hiesigen Staat finanziert. Nein Danke.
© Tanja Dückers, Berlin, im März 2015